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Steinzeit ade

Neulich habe ich auf dem Flohmarkt ein altes grünes Tastentelefon entdeckt. Mit einer Spiralschnur, die an einem Klotz von Hörer hing. Der lag auf einem Gehäuse, das per Kabel mit einer Anschlussbuchse in der Wand verbunden war. Nichts schnurlos, nichts digital. Mit so einem Monstrum hat meine Mutter noch meine ersten Termine in einer dermatologischen Praxis vereinbart. 1997. Ich war 15 Jahre alt, als ich meinen ersten Psoriasis-Schub bekam und überall auf meinem Körper hässliche rote Plaques blühten.

Ich fragte mich: Habe ich eine gefährliche Krankheit? Heute gibt es seriöse Gesundheitsportale im Netz, auf denen Betroffene sich informieren können. Aber vor 25 Jahren? Da hatte kaum jemand Internet, und Google gab’s auch noch nicht.

Der Beachvolleyball-Olympiasieger Julius Brink steht im Freien an einem Geländer und schaut in die Kamera
Novartis

Arztsuche im Telefonbuch, dick wie ein Katalog

Sind die Plaques ansteckend? Die Jungs beim Volleyball machten dumme Sprüche, manche wollten nicht im gleichen Raum mit mir duschen. Keine Creme, keine Lotion half. Heute weiß ich natürlich, dass Stress einen Schub und sogar den Ausbruch der Erkrankung auslösen kann. Und ich stand wahnsinnig unter Druck. Die Hänseleien und die Ungewissheit machten mich fertig. Bis Mutter sagte: „So geht es nicht weiter!“ Damals wurden Hautärzt*innen noch in den Gelben Seiten gesucht – einem Telefonbuch, dick wie ein Katalog. Unter A wie Arzt fand meine Mutter eine Adresse. Dort schleppte sie mich hin.

Das hört sich nach Steinzeit an. Doch meine Jugend war eben komplett analog. Hätte mir jemand erzählt, dass ich meinem Hautarzt später einmal Fotos per WhatsApp schicken und mich sogar mit ihm in einer virtuellen Sprechstunde treffen würde, hätte ich gefragt: WhatsApp? Onlinevisite? Was ist das? 

Es ist unglaublich, wie sich die Welt verändert hat. Was damals wie Science-Fiction klang, ist heute real. Ich frage mich oft: Wie konnten chronisch Kranke früher ohne Smartphone überhaupt die Therapietreue einhalten? Jeden Tag pünktlich die Medikamente nehmen, keinen Arzttermin, keine Kontrolluntersuchung verbaseln?

Dranbleiben auch in symptomfreien Phasen

Nahaufnahme der Gelben Seiten mit einer Hand, die einen Stift hält.
iStock-482929627_stevelenzphoto

Bei mir sind die Intervalle zwischen den Untersuchungen groß. Und wie das eben ist: Meist habe ich am Tag X keine Symptome. Da kommt automatisch der Gedanke: Muss ich den Termin überhaupt wahrnehmen? Die Antwort: Ja, weil Schuppenflechte eine Erkrankung des Immunsystems ist. Die ist nicht weg, nur weil sie sich gerade nicht blicken lässt. Deshalb ist es wichtig, dranzubleiben wie früher beim Training. Trotzdem habe auch ich eine Zeit lang gedacht: Ach, was soll’s. Das schlechte Gewissen kam voller Wucht, als plötzlich morgens meine Gelenke steif waren. Ist die Schuppenflechte auf meine Knochen gegangen? Habe ich vielleicht eine Psoriasis-Arthritis entwickelt?

Digitales Gesundheitstagebuch vergisst keine Schübe

Offensichtlich brauche ich einen kleinen Schubs, eine elektronische Gedächtnisstütze. Damit mir das nicht noch einmal passiert, habe ich mir die Gesundheits-App MyTherapy aufs Handy geladen. Die schickt mir jetzt vor jedem Arzttermin eine Erinnerung. Vor einigen Tagen war wieder eine Routinekontrolle. Mein Arzt fragte: „Wie geht’s?“ Früher wäre meine Antwort wahrscheinlich gewesen: „Zurzeit alles ruhig.“ Wir hätten ein paar Sätze gewechselt – und tschüss. Hinterher hätte ich mich geärgert, weil ich so viel vergessen habe. Diesmal war ich bestens vorbereitet, weil ich in der App ein digitales Gesundheitstagebuch führe und alles notiere. Jedes Mal, wenn ich mich nicht so gut fühle, jede Hautveränderung, auch meine Sorgen. Zum Beispiel die Episode mit den steifen Gelenken.

Person hält Smartphone mit Kalender-App in der Hand und sitzt vor Computer mit geöffnetem Kalender
AdobeStock_515976403_Andrey Popov

Durch das Tagebuch erkenne ich Zusammenhänge zwischen meinen Symptomen und möglichen Triggern, die mir sonst vielleicht durch die Lappen gehen würden. Ein kurzer Blick in den integrierten Terminkalender der App zeigt: Zu der Zeit war ich im Beruf viel unterwegs, konnte nicht so auf meine Ernährung achten, habe sogar alle Joggingtermine gecancelt.

Mein Dermatologe sagte damals: „Herr Brink, Sie wissen doch, wie wichtig Achtsamkeit ist.“ Ja, weiß ich, ich lebe schließlich schon seit 22 Jahren mit der Schuppenflechte. Doch manchmal ist es gut, dass ich von meinem elektronischen Assistenten in der Hosentasche noch einmal daran erinnert werde, weiterhin achtsam zu sein.

Können digitale Gesundheitshelfer Ärzt*innen ersetzen? Das erklären Beachvolleyball-Olympiasieger Julius Brink und die Medizinische Fachangestellte Ines Maria Baeblich im „Hautwende”-Podcast.